Guide A la Carte 2004

Es wäre verwegen, gleich einen Trend auszurufen, weil heuer erstmals Brände in cask strenght - man kennt den Begriff vom Whisky -, in Fassstärke also, eingereicht wurden. Aber man kann es als Zeichen dafür sehen, dass die Typenpalette der Destillate breiter wird. Es herrscht nicht mehr die Frage vor: Ist es gescheiter, einen Brand auf 42 % vol. einzustellen oder doch auf 48 oder mehr? Es gibt eben Anhänger für jede dieser Gruppen, also gibt es auch keine richtige Antwort auf die Frage. Zudem stellen wir fest, dass manche Brenner davon abgehen, sämtliche Destillate auf ein Niveau einzustellen. Die Stärke wird vermehrt dem Erfordernis des Produkts angepasst - das bedarf mehr Zeit und vieler Verkostungsdurchgänge, macht aber ebenso viel Sinn. Einem anderen Trend, der Reifung im Holzfass, stehen wir ambivalent gegenüber. Was schon viele Winzer schmerzvoll erfuhren, dass es nämlich nicht reicht, mittelmäßigen Wein in ein teures Barrique zu stecken, um ein tolles Ergebnis einzufahren, ist beim Schnaps nicht anders. Ist das Grundprodukt nicht erster Güte, wird das Ergebnis nicht viel besser. Und passt das Holz nicht zur Frucht oder dominiert diese zu stark, ist auch nichts gewonnen. Doch neben vielen misslungenen Kandidaten haben wir heuer auch einige außerordentlich schöne verkosten dürfen. Darunter zwei vom Typ cask strength von Alois Gölles: Apfelbrand und Zwetschkenbrand mit jeweils 60 % vol. - der Vollständigkeit halber sei die "Dallmayr Marille" von Hans Reisetbauer erwähnt, zwar nicht im Fass gereift, mit 56 % vol. aber auch ein Kraftlackel.Als Resümee der diesjährigen Verkostung können wir sagen, dass die Qualität der Produkte insgesamt gestiegen ist - während die guten Brenner immer schon auf bestem Niveau arbeiteten, wurden heuer auch weniger fehlerhafte Proben eingereicht. So gesehen war die Verkostung, trotz der großen Anstrengung eine lohnende. Bestätigt hat sich weiters der Länderkampf an der Spitze: Schosser, Hochmair und Reisetbauer aus Oberösterreich gegen die Steirer Jöbstl, Pirker und Gölles. Wer aus dieser Riege der Meisterbrenner 2004 ist, behalten wir noch etwas für uns - die Präsentation erfolgt im März 2004 auf der Spirits-Gala, der großen Publikumspräsentation der diamantenen Brände. Hans Reisetbauer und Barbara Schosser wurden 2002 bzw. 2003 gekürt. Neues Team, neue Punkte! Unsere Verkoster, das Team spiritsmedia, haben sich neu formiert: Unter der erprobten Leitung von Peter Hämmerle verkosteten diesmal außerdem: Jörg Bretz (Weinberater, Gols), Christina Fieber (Vinothek Meinl am Graben, Wien), Dagmar Groß (Tinto Rosso, Wien) und Thomas Wachter (Weingut Wachter-Wiesler, Deutsch Schützen). Die Erneuerung des Teams nehmen wir zum Anlass, das Niveau der Punkte dem in der Weinwelt üblichen anzupassen - im oberen Bereich führte das zur Anhebung um drei Punkte, weshalb die besten, mit einem Diamant ausgezeichneten Brände heuer erst bei 88 Punkten beginnen. Verkostet wurde wie immer blind und aus drei verschiedenen Glastypen (Riedel Beerenobst und Grappa, Ortner Edelbrand). Wie lohnend das Riechen aus unterschiedlichen Gläsern sein kann, wollen wir jedem Schnapsliebhaber zum Selberprobieren ans Herz legen.
In diesem Sinne, spirits!