Meisterbrenner 2005

Josef Hochmair ist der neue Meisterbrenner. Mit ihm wird jemand geehrt, der eher im Stillen wirkt, der aber in jedem Aspekt der Obstbrennerei zu den Autoritäten der an Spezialisten reichen österreichischen Szene gehört.

Worin genau der entscheidende Vorteil des Josef Hochmair liegt, der ihn heuer erstmals zum A la Carte-Meisterbrenner machte, liegt nicht auf der Hand. "Obst habe ich kein besseres als die anderen", sagt er. "Gaumen hat mein Sohn einen besseren", sagt er. "Brennanlagen gibt es viele gute und eine jede ist anders, selbst solche aus der gleichen Modellreihe", sagt er. Die Summe der Teile muss hier wohl mehr sein als das Ganze. Perfektion und ganze Hingabe in jedem Stadium der Erzeugung sind es vielleicht, die zu so hohen Wertungen führen, wie sie eine einmütige Jury anlässlich der Verkostung für den aktuellen Guide A la Carte vergab. Jeder zweite von Josef Hochmair eingereichte Brand erreichte 88 und mehr Punkte und damit den "Diamant" als Symbol für Transparenz und geschliffene Struktur. Uns sitzt ein bescheiden wirkender, freundlicher Mann gegenüber, dem jedes Spektakuläre fremd scheint. Die Haare, die wir von anderer Gelegenheit durchaus urwüchsiger in Erinnerung haben, sind heute glattfrisiert. Schnapsflaschen stehen bereit, getrunken wird Quittensaft aus dem eigenen Bio-Betrieb. Die Hektik der Landstraße, die draußen vorbeiführt, bleibt vor der Türe. Im Bauch dieses großen oberösterreichischen Vierkanters umgibt uns dessen symbolische Ruhe und Gelassenheit. Auch die Stimme Josef Hochmairs ist ruhig. Seine Augen verraten vielleicht eine Spur vom Schalk und von einem Menschen der nach dem Besonderen greifen muss. Was ihm wohltuend fremd zu sein scheint ist Neid.

Wenn er über Kollegen spricht, tut er es respektvoll. Der dadurch mögliche Austausch in einer Gruppe von fünf bis sieben oberösterreichischen Brennern, ist mit Sicherheit ein Schlüssel für seinen und auch ihren Erfolg. Jeder Meisterbrenner kam bis jetzt aus Oberösterreich, genauer noch: aus der Umgebung von Wels. Auffallend an dieser Gruppe von Brennern, zu der die bisherigen Preisträger Barbara und Martin Schosser (2002) sowie Hans Reisetbauer (2001 und 2003) gehören: Es sind sehr gute Verkoster. Die gemeinsame, offene Auseinandersetzung mit den Produkten hat ihnen offensichtlich geholfen ihre Destillate realistisch einzuschätzen. Der Gedanke, dass gerade ein gutes Destillat erst aus der Summe seiner Teile erwächst, erschließt sich einem mit Josef Hochmair auch an einem anderen Beispiel: Allgemein bekannt ist zwar, dass man beim Brennen den Vorlauf abtrennt, jenen Teil also, der zuerst als Dampf aufsteigt und dann aus dem Kondensationsrohr läuft, und dass man ebenso den Nachlauf weglässt und damit den fuseligen Geschmack. Wer jetzt denkt, je mehr ich vorne und hinten abschneide, umso sauberer das Herzstück, der liegt falsch. "Bei Williams und Apfel muss von vorne was dabei sein, bei der Marille vom Schweif. Erst so entsteht ein komplexes Produkt mit fruchttypischem Charakter", so der neue Meisterbrenner. Wobei das richtige Abtrennen gerade für Verschlussbrenner wie Josef Hochmair kein leichtes ist. Während Abfindungsbrenner üblicherweise in Fraktionen abfüllen und nachträglich entscheiden können, was sie für das Herzstück verwenden und was nicht, müssen Brenner, die das Recht haben, mehr als 600 Liter Alkohol pro Jahr zu erzeugen, sofort entscheiden, denn aus steuertechnischen Gründen verhindert eine Plombierung am Gerät eine nachträgliche Änderung. Allerdings: Ein aus dem Rohr laufender Brand schmeckt ganz anders, als das, was später in der Flasche verkauft wird. Hier richtig zu entscheiden, bedarf es sehr viel Erfahrung. In diesem Punkt erkennt Josef Hochmair auch ein Manko bei sich: "Der Druck in solchen Augenblicken kann sehr groß werden, und ich neige tendenziell zur Vorsicht. Markus, mein Sohn oder meine Frau Karoline sind mir dann nicht selten eine große Hilfe." Hier am Malznerhof verliert das Schnapsbrennen jeden rauen Beigeschmack, da wird nicht auf Gedeih und Verderb verwertet bis der Kessel dampft. Hört man den beiden zu, Vater und Sohn, gleicht ihre Arbeit eher einem beständigen Prozess der feinfühligsten Annäherung an einen Grenzwert. Die zugrundeliegende Fragestellung: Um wie viel kann ich den Schnaps auf der einen Seite verbessern, ohne ihn auf der anderen zu beeinträchtigen? Dafür braucht es Tüftler mit Leib und Seele. Umso mehr überrascht uns das Eingeständnis Josef Hochmairs, dass sein Sohn sensorisch einiges besser sein soll. Wie sehr, fragen wir uns, kann das Geschmacksempfinden dieses Mannes eingeschränkt sein, wenn die Jury wie bei seiner 2003er Quitte zu solchen Beschreibungen kommt: "Noch verhalten im Duft, mit dunkler Würze und schokoladig-kühlen Aromen; am Gaumen druckvoll und subtil zugleich, mit schöner Länge, der hohe Alkohol sehr gut integriert." Wohl gemerkt, die Rede ist von einem Quittenschnaps mit stolzen 47 Prozent Alkohol.

Dass es am Malznerhof, wo man traditionell leichtere Brände anbietet, überhaupt zu dieser Abfüllung kam, ist einem anderen Verkostertalent und Schnapsliebhaber zu verdanken, dem Schweizer Vertreter, der Josef Hochmair ermutigte, auch kräftigere Abfüllungen anzubieten. Und damit steht nun auch in einer Reihe mit Brennern, die zunehmend auf Kräftiges setzen - was nicht gleichbedeutend mit Rustikalem ist. Der Tiroler Günther Rochelt war der erste, der sich getraut hat Brände mit 54 Prozent und mehr anzubieten. Und nun ziehen Brenner wie Alois Gölles – ohnehin selten unter 45 Prozent - mit Destillaten in Fassstärke, Franz Tinnauer mit seinen Reserven oder Barbara Schosser mit einer kräftigen, fassgelagerten Marille nach. Seine größte Stärke spielt Josef Hochmair vermutlich am Gerät selbst aus. Beharrlich hat er seine Brennanlage erweitert und umgebaut, um jetzt schließlich auf einem Mischsystem zu arbeiten, das über das beste zweier Welten verfügt. Hochmair bedient sich nicht nur des Verfahrens des Doppeltbrennes – wie etwa Hans Reisetbauer und die Quinta Essentia es philosophisch vertreten -, sondern gegebenenfalls einer dazugeschalteten Kolonne – wie sie bei Schossers verwendet wird. Er entscheidet je nach Frucht und Anforderung und hat solchermaßen für sich selbst den unter Fundamentalisten tobenden Streit darüber, welches System das bessere sei, auf sehr pragmatische Art gelöst. Er ist überzeugt, dass Brennanlagen ausgesprochen individuell arbeiten. "Ich glaube sogar, dass zwei augenscheinlich idente Anlagen des selben Herstellers zu unterschiedlichen Ergebnissen führen." Diese Aussage verdeutlicht am ehesten, wie genau man einen Apparat kennen muss um das Beste aus ihm zu holen. Auch dabei geht es wieder um die Annäherung an Grenzwerte. "Ein zugeschalteter Dephlegmator (er wirkt für auf steigende Dämpfe wie ein Widerstand) etwa kann wohl die Reinheit erhöhen, birgt andererseits aber die Gefahr, dass er vom Aroma zu viel weg nimmt." Den Brennvorgang mittels Sensoren zu überwachen und aufzuzeichnen, wie es manche Brenner nun versuchen, hilft nicht unmittelbar, denn dadurch wird ein Prozess zwar wiederholbar, doch erst einmal muss man selbst die richtigen Entscheidungen für dessen optimalen Ablauf treffen. "Erst mit der Zeit lernt man den Umgang, und dabei gibt es nicht selten Momente, in denen man nicht weiter weiß." Von einer richtigen Brennwut muss Josef Hochmair auch schon besessen gewesen sein. Bis zu fünfzig verschiedene Sorten umfasste seine Palette in manchen Jahren - von Traubenkirschen bis Bio-Mandarinen, von Elsbeeren bis Getreide in Form eines Single Malt. Und egal was er anfasste, was schließlich abgefüllt wurde, hatte stets typischen Fruchtcharakter und Eigenständigkeit. Die Vielzahl der Produkte ist immer noch beträchtlich, auf reine Hobbybrände allerdings lässt sich Josef Hochmair nicht mehr ein: "Bei mir ist jedes Produkt kostendeckend." Genau das würde er sich auch von manchen Kollegen wünschen, denn, so sagt er, "es gibt nicht wenige Produzenten, die nichts von Kostenwahrheit verstehen und glauben, ihre Flaschen nur billig verkaufen zu können. Dass dabei oft vergessen wird die Arbeit des Opas beim Obsternten oder Brennen zu bewerten, verzerrt den Markt." Was den Markt betrifft hat Josef Hochmair überhaupt seine eigenen Ansichten. Erstaunlich aber war: "Ich habe das Gefühl, dass ich auch gut ohne viel Marketing auskomme." Tatsächlich, die Flaschen sind schlicht, das Etikett ebenso, und der neueste Prospekt des Hauses hat schon etwas Staub angesetzt. Bei soviel notwendiger Kontrolle über den Produktionsprozess der Destillate und soviel individuellem Zugang erstaunt es nicht, dass eine Hofübergabe eine schwierige Sache sein würde. Bei den Hochmairs hat das schließlich ein Maya-Prister erfolgreich initiiert. Als Josef und Karoline Hochmair während eines dreiwöchigen Aufenthaltes in Guatemala der Fährte eines Maya-Gelehrten folgten und dessen Mobiltelefon sowie die angebotenen Telefonwertkarten so gut wie keine Verbindung nach Österreich ermöglichten, verarbeitete Sohn Markus die reif angelieferten Williamsbirnen – den Sorgen, die der Vater in Übersee deswegen ausstand zum Trotz errang dieses Destillat die Auszeichnung zum besten seiner Sorte!

Josef Hochmair, 4702 Wallern, Mauer 2, 07249/487 65, hochmair_edelbrand@web.de