Obstler: Die Legende lebt

Obstler, sagen die einen und rümpfen die Nase, Obstler kannst vergessen. Andere wieder meinen: Was Besseres als an Obstler gibt´s net. Weil das ist Schnaps, wie er g´hört, da steckt Erfahrung drin und Tradition dahinter. Und dann gibt´s jetzt auch noch solche, die behaupten: So gut wie heute war der Obstler noch nie. Voilà, würde ein Franzose in diesem Fall wohl sagen, betrachten wir die Sache doch etwas genauer. Und das Ergebnis? Alle haben recht.

"Obstler", sagt Reinhard Wetter, "war meistens Schnaps von minderer Qualität, aus schlechter Rohware zum Beispiel. Er wurde eiskalt serviert und auch so getrunken." "Obstler", meinen die Schnapsbrenner Hans Krenn und Christoph Kössler, "ist eigentlich gar kein österreichischer Klassiker." Das Image schätzen sie im Moment auch nicht hoch ein, weil bisher zu viel schlechte Produkte den Markt beherrscht haben. Was besonders im Westen Österreichs - Stichwort "Hüttenzauber" - den Konsumenten vielfach angetan wird, kommt eher aus der Hexenküche und trägt wohl kaum zu einer notwendigen Imagesteigerung des Obstlers bei.

Nur zu verständlich also, daß es Produzenten gibt, die auf dieser Welle der Bauernfängerei mit vermeintlichen alten Traditionen nicht mitschwimmen wollen. Sie machen ihrem guten Namen in der Brennerszene aber dennoch Ehre, wenn sie gleichzeitig Obstler oder Obstcuvées in "veredelter Form" anbieten: wie etwa Hans Krenn mit "Aristo", einer Kreation aus Apfel und Himbeere, und "Aculus", einer Quitte-Apfel-Kombination, oder Reinhard Wetter mit einem "Edel-Obstler" aus Kern- und Beerenobst und seinem "Wetterleuchten", einem Mix aus Kern-, Stein- und Beerenobst.

Andere Produzenten nähern sich der Thematik Obstler anders an. Alois Gölles sowie Valentin Latschen liegen beispielsweise voll auf der Klassiker-Linie: "Obstler", sagen sie, "gehört zum Landleben wie der Apfel zum Baum, der Baum zum Boden und die Wiese zur Landschaft." Ein Standpunkt, dem man folgen kann.

Der Stoff, aus dem Schnaps gemacht wird, ist in Österreichs obstbaumreichen Gegenden praktisch ein "Abfall-Produkt" im wahrsten Sinn des Wortes. Fallobst gibt es in Hülle und Fülle. Allerdings schwierig zu ernten, weil auf Streuobstwiesen und hochstämmigen Bäumen gereift. Bezahlt werden dagegen die schönen Plantagenfrüchte, die noch dazu maschinell geerntet werden können. Was tun also mit diesen Äpfeln und Birnen? Liegenlassen, bis Zeit bleibt, daraus doch noch Schnaps zu brennen - so entstanden immer wieder lieblose Produkte ohne Charakter, vielfach auch mit deutlichen Fehlern, was bei einer solchen "Behandlung" nicht weiter verwundern muß.

Wir alle wissen, es gab solche Schnäpse - und gibt sie leider noch immer. Aber (abgesehen davon, daß auch früher schon gute Schnäpse zu finden waren): "Durch die neue Schnapskultur", sagt Kurt Lagler zum Thema, "erfreut sich der Obstler wieder größter Beliebtheit und spricht noch immer beziehungsweise vermehrt Kenner und Genießer an." "Sofern", fügt er hinzu, "er ein Destillat ist, das den Anforderungen eines hochwertigen Qualitätsobstbrandes entspricht."

Für Reinhard Wetter wie auch für Valentin Latschen besteht der idealtypische Obstler aus je 50 Prozent Äpfeln und Birnen, die gemeinsam eingemaischt und doppelt gebrannt werden. Für beide Brenner bekommt der Schnaps-Klassiker auch einen immer höheren Stellenwert, da schon sehr viele gute, teilweise hervorragende Obstler angeboten werden. Nicht zuletzt können in diesem "einfachen" Schnaps gebiets- und sortentypische Obstspezialitäten - alte Apfel- und Birnensorten mit spezifischem Aroma - zu individuellen Produkten verarbeitet werden.

Gleichzeitig hat bei den Produzenten die Suche nach neuen Kombinationen bei Aroma und Geschmack eingesetzt. Die Obstcuvée ist stark im Kommen.

So entwickelt sich neben dem traditionellen Bereich - Apfel-Birne, in manchen Gegenden auch mit etwas Zwetschke - eine innovative Palette von Verschnitten aus Kernobst mit Steinobst und/oder Beerenobst. Cuvées aus Sonder- und Wildsorten mit charakteristischen Geschmacksnuancen eröffnen ein weites Feld für Liebhaber individueller Brände.

Die Ergebnisse der vorliegenden Verkostung spiegeln diese vielfältigen Entwicklungen im Obstler-Land wider und sollen sowohl Anreiz sein, diese Produkte kennenzulernen, als auch mithelfen, dem Stiefkind in der Schnapsfamilie neue Freunde zu verschaffen.


Mehr als nur Fallobst - eine Analyse der Verkostung

Die Statistik über unsere Obstlerverkostung liest sich eindrucksvoll. Von knapp 100 eingereichten Proben kamen erstaunliche 31 (!) auf 16 und mehr Punkte - bewertet nach dem herkömmlichen 20-Punkte-Schema. Damit liegt die Qualität dieser Verkostung weit über unseren Erwartungen.

Nicht, daß wir diesem klassischen österreichischen Brand nicht mehr zugetraut hätten, aber das Niveau war noch bei keiner unserer Verkostungen so hoch. Dazu kommt, daß diesmal viel weniger fehlerhafte Produkte eingereicht wurden als sonst - ein Umstand, den nicht nur wir, sondern auch die Gaumen der Jury begrüßten.


Was ist Obstler?

Ausgeschrieben war der Bewerb zum Thema klassischer Obstler und Obstcuvées. Über deren Definition herrscht aber ein wenig Unklarheit bei Österreichs Brennern. Teilweise wurden sortenreine Brände eingereicht, die nicht bewertet werden konnten. Dabei hatten wir angenommen, Obstler würde in Österreich allgemein als Brand aus Äpfeln und Birnen, manchmal auch unter Zugabe von Zwetschken, verstanden werden.

Der Codex definiert dazu folgendes: "Werden die Maischen zweier oder mehrerer Obstarten gemeinsam destilliert, so wird das Erzeugnis als "Obstbrand" oder "Obst" bezeichnet. Ergänzend können die einzelnen Arten (am Etikett) in absteigender Reihenfolge der verwendeten Mengen angeführt werden."

So gesehen sind bei weitem nicht alle eingereichten Produkte "echte" Obstler, denn nur für die wenigsten wurden die Früchte gemeinsam eingemaischt. Uns genügte es allerdings, wenn zwei und mehr verschiedene Sorten in einem Brand vorkamen. Weil aber sehr unterschiedliche Typen von Bränden antraten, haben wir drei Gruppen definiert und nach diesen auch drei verschiedene Rankings erstellt:

1. Klassische Obstler aus Äpfeln, Birnen und möglicherweise einem kleinen Anteil an Zwetschken;

2. Obstcuvées mit zumindest einem Anteil Äpfeln oder Birnen;

3. Obstcuvées, in denen weder Äpfel noch Birnen enthalten sind.


Kein Obstler im Handel?

Zusätzlich zu den von den Brennern eingereichten Obstlern hatten wir die Absicht, die gängigsten Produkte aus dem Lebensmitteleinzelhandel zu kaufen und als Komplettierung in die Verkostung zu stellen. Wir mußten dafür allerdings nur 168, - Schilling aufwenden, denn erstaunlicherweise ist Obstler ein Produkt, das zwar jeder kennt und viele trinken, das aber als 100%iges Destillat nicht in den gängigen Lebensmittelketten aufscheint. Fragt sich nur, woher die Obstler kommen? Stammen sie meist von kleinen Brennern, die mit einem Plastikkanister zu Gasthäusern, Feuerwehrfesten und Skihütten tingeln?

Wie auch immer, wir fanden auf unserem Einkaufsbummel einen einzigen "richtigen" Obstler - von H. C. König, Salzburg - bei Merkur, und nicht einmal diesen können wir empfehlen, denn er erreichte keine 14 Punkte. Dabei pries er sich selbst: "...als wahrscheinlich teuerster Obstler Österreichs, wir kennen aber auch keinen besseren". Dies sei hiermit relativiert. Auf dem Etikett war auch noch die Rede von anderen Produkten, die "wie ein rückwärts durch die Gurgel gezogener Christbaum schmeckten"...


Ein Obstler für 0,26 Euro

Bemerkenswert viele Meldungen kamen diesmal aus Tirol. Von den großen österreichischen Erzeugern schickten dagegen nur die Firmen Freihof, Bauer und Erber ihre Erzeugnisse. Wir müssen annehmen, daß die anderen ihre Produkte offenbar für nicht konkurrenzfähig halten. Und viele Abfindungsbrenner in den obstreichen Gegenden Österreichs scheinen ähnlich zu denken, denn aus dem Rhein- oder dem Lavanttal kamen nur wenige Anmeldungen. Dem Obstler schreiben viele offenbar kein gutes Image zu, was zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung zu werden scheint, wenn man sich gleichzeitig nicht um dessen Qualität bemüht.

Damit kommen wir in die Nähe eines anderen Kriteriums, dem Preis-Leistungs-Verhältnis. Und da liegen die Dinge nicht so nachvollziehbar, wie es wünschenswert wäre. Auf den vordersten Rängen sind Brände, die pro Liter öS 440,- kosten, während sich Destillate für bis zu öS 750,-/L nur viel weiter hinten plazieren konnten. Doch auch schon für 180,-/L erhält man immerhin einen 16-Punkte-Brand (von Kofler aus Prutz/Tirol).

Daß Obstler nicht immer leicht zu bewerten ist, ergibt sich aus seiner langen Tradition. Er ist manchmal ein recht rauher Bursche, was nicht immer am Alkohol liegt, sondern auch am ledrig-herben Geschmack mancher verwendeten Obstsorte (oder vielmehr deren Schale). Daher haben wir versucht, Brände, die in diese Geschmacksrichtungen tendierten, nicht von vornherein als nicht ganz harmonisch zu bewerten. So hat die Jury auch einige Produkte mit durchaus rustikalem Charakter sehr gut bewertet.

Und letztlich hat diese Verkostung auch gezeigt, daß das Niveau der österreichischen Obstler - und nicht nur dieser, denn auch einige deutsche Brände erzielten hohe Punkte - , wirklich beachtenswert ist. Seien es nun Destillate von der supertransparenten Sorte wie jene des zweifachen Siegers Hans Reisetbauer oder eher traditionelle, wie der Osttiroler Pregler von Josef Althaler,


Die Jury

Hans Krenn, Schnapsbrenner
Dr. Walter Kutscher, Winzergenossenschaft Dinstlgut
Dr. Michael Prònay, Vinaria
Ing. Hans Reisetbauer, Schnapsbrenner
Dr. Christa Hanten
Mag. Peter Hämmerle
Vene Maier

Die Blindverkostung fand am 12. Jänner im Gasthaus Seidl statt - das sich durch eine sehr umfangreiche Auswahl österreichischer Brände auszeichnet.


Die Sieger:

Friedrich Mair, Flaurling/Tirol

Der 48jährige Friedrich Mair ist für Swarovski tätig. Sein brenntechnisches Wissen hat er über 15 Jahre lang in einer Innsbrucker Brennerei erworben, die mittlerweile geschlossen ist. Seit zwölf Jahren brennt er nun schon selber und zwar doppelt - davon ist er einfach überzeugt. Sein Schnapssortiment besteht aus 25 verschiedenen Bränden, die meisten davon Beeren. Preiselbeeren, Vogelbeeren, Roter Holler und Josta (Stachelbeere x Schw. Johannisbeere) sind seine Spezialitäten und Preisträger. Den Obstler hält er aber auch für wichtig, weil er für ihn zu einem typischen Tiroler Sortiment gehört und auch die Nachfrage da ist. Ebenso wie die anderen Brände liegt sein Obstler eher höher im Alkohol (44,6 %). Zusammen mit dem sehr harmonischen Fruchtcharakter (Äpfel, Birnen und Zwetschken) ergibt das einen fast archetypischen Obstler. Alle Brände lagern übrigens drei Jahre im Ballon, bevor sie in den Verkauf gehen.

Hans Reisetbauer, Thening/OÖ

"Das wichtigste war mir, den Obstler wieder marktfähig zu machen." Und dazu gehört laut Hans Reisetbauer als erstes einmal die ausschließliche Verwendung von bestem Obst. Zusätzlich sieht er das sorgfältige Brennen der Birnen als wesentliches Kriterium. "Da ist das genaue Abtrennen von Vor- und Nachlauf sehr, sehr wichtig." Genau das kommt in Reisetbauers Kernobst-Cuvée, die von allen Bränden die höchste Punkteanzahl erhielt, besonders gut zum Ausdruck: eine unerhörte Reinheit und Transparenz. Daß der Siegerbrand in der Kategorie kernlose Cuvées ebenfalls von Hans Reisetbauer stammt, adelt den jungen Großbauern besonders. Im übrigen hat er, anders als seine berühmten Nachbarn Hochmair und Schosser, die Kolonnenbrennanlage wieder verkauft. Daß Hans Reisetbauer auch in unserer Jury saß, hat im übrigen nichts mit dem Ausgang der Verkostung zu tun - er ist einfach ein guter Verkoster und ein engagierter Brenner.

Reinhard Wetter, Missingdorf/NÖ

Reinhard Wetter ist ein kompromißloser Anhänger von Qualität. Nur wenigen seiner Kollegen gelingt es, jene Dichte und Typizität an Frucht in den Bränden zu erreichen. Reinhard Wetter ist auch einger des Obstlers. Er will diesem Produkt wieder zu einem besseren Image verhelfen. Dies ist ihm mit dem Edelobstler und dem Wetterleuchten überzeugend gelungen. Mehr über "Wind und Wetter" können Sie im Vinaria 2/98 nachlesen.


Helferich & Schilling, Fürth/Odenwald (D)

Thomas Helferich gehört mit einer Jahresproduktion von 1300 Litern reinem Destillat nicht zu den großen deutschen Brennern. Dennoch sind die unter der Marke "Odenwälder Bub" auftretenden Brände in Österreich bereits durch Prämierungen aufgefallen. Spezialitäten sind Wildfruchtbrände (Speierling, Traubenkirsche, Waldhimbeere, Elsbeere etc.) und sortenreine Apfelbrände. In unserer Obstlerverkostung landete er gleich mit zwei Bränden im vordersten Feld. Die Früchte stammen ausschließlich aus der Region, sind oft selbstgepflückt. Der südlich von Frankfurt gelegene Odenwald, eines der größten Naturschutzgebiete Deutschlands, bietet beste Voraussetzungen. Gebrannt wird auf einer Kolonne, und "weil ich Alkohol für einen wichtigen Aromaträger halte, werden die Brände relativ hoch eingestellt", so der umtriebige Brenner, der stets den Vergleich seiner Produkte mit anderen sucht - mit Erfolg.